„Wie ich dich liebe? Lass mich zählen wie.“ - Wie ich dich
hasse? Wie viel Zeit hast du? Pünktlich zum Valentinstag begibt sich
Michael auf ein katastrophales Date, das ihn erneut daran erinnerte,
warum dieser Feiertag eigentlich relativ sinnlos ist.
Bis vor einem Jahr hatte ich fast wöchentlich ein Date. Mein Fable für
Verabredungen war in meinem Freundeskreis so bekannt geworden, dass ich
manchmal fürchtete, meine Freunde und Verwandten würden mich bald in
einen Hinterhalt locken und mir dann unter Tränen gestehen, dass meine
Dating-Sucht „die Familie zerstört“. Ich war die Sorte Mensch, die
Jennifer Aniston in all ihren Filmen spielt: Eine Person, die regelmäßig
auf katastrophale Verabredungen geht, die ihr allerhöchstens als
Gesprächsstoff dienen, wenn sie sich mit ihren Freundinnen beim Brunch
trifft. Diese Vorliebe hatte weniger etwas mit einem Verlangen nach
Bestätigung zu tun, sondern war vielmehr ein bisschen so, als würde man
als fauler Student halbherzig in die Vorlesung gehen: Niemand konnte mir
vorwerfen, ich würde nicht wenigstens versuchen, unter die Leute zu
kommen. Nach unzähligen Desaster-Dates aber beschloss ich, dieses
Verhalten lieber an den Nagel zu hängen, bevor ich in Wien und Umgebung
als „Dating-Nymphomane“ bekannt wurde. „Österreichweiter Meister im
Bratkartoffel-Wettessen“ soll der einzige Name bleiben, unter dem ich
bekannt bin.
Obwohl ich ein relativ eigenständiger Mensch bin,
der sich von den Medien nicht allzu sehr beeinflussen lässt (ich habe
jedoch sehrwohl einen V-Hobel aus dem Teleshop zuhause - damit
zerkleinere ich Obst und Gemüse im Handumdrehen!), werde ich spätestens
dann, wenn die ersten „Kaufen Sie ihrem Liebsten doch Viagra zum
Valentinstag!“-Mails in meinem Spam-Ordner landen, wieder ein bisschen
melancholisch. Ja, ich glaube wirklich, dass die Medien an meiner Misere
Schuld sind, weil sie mir und allen anderen zu dieser Jahreszeit Dinge
unter die Nase reiben, die man nur zu zweit machen kann: Einander
bescheuerte Teddybären schenken, romantische Töpferkurse belegen und auf
einem Tandem durch die Stadt fahren. In Wirklichkeit möchte ich
eigentlich nur eine Schachtel Pralinen in Herzform kaufen, weil ich
finde, dass sie nett aussieht, weiß aber, dass ich eigentlich einen
Partner brauche, um das tun zu können. Obwohl ich im restlichen Jahr
relativ zufrieden mit meinem Leben bin, sehne ich mich nun nach einer
Beziehung, obwohl ich mich insgeheim wirklich nur nach dieser Schachtel
Pralinen sehne. Ihr merkt, ich bin sehr tiefgründig. Um ein weiteres Mal
also ließ ich mich dazu verleiten, mein altes Dating-Verhalten wieder
aufzugreifen.
Kurzerhand war ein „ungezwungenes“ (Code für:
Absolut wichtig - jede Sekunde zählt!) Treffen mit Hannes vereinbart,
der ein guter Freund einer Studienkollegin ist, - sie vergewisserte mir
im Vorhinein, dass er „ein ganz ein Netter“ sei. Und sie hatte Recht:
Hannes wirkte auf den ersten Eindruck sehr nett, doch schon bald fiel
mir auf, dass er unsere Unterhaltung vorwiegend auf eines der folgenden
drei Themen hinlenkte: Armut, die globale Erwärmung und - Fun Fact! -
die Tatsache, dass beim Thunfisch-Fang immer öfter Delfine getötet
werden. Wichtige Themen, da bin ich mir sicher, aber leider nicht
Erstes-Date-Material. Ich musste lachen: In der amerikanischen
Live-Sketch-Comedy-Show „Saturday Night Live“ gibt es eine Figur, die
„Debbie Downer“ heißt. Sie ist dafür bekannt, auf großen Partys und
Feierlichkeiten immer die Stimmung zu drücken, indem sie anfängt, von
Zugexplosionen, BSE oder anderen Desastern zu erzählen. (Unter diesem Link
können sich Interessierte übrigens meinen Lieblings-Sketch ansehen.
Bitte nicht panisch werden, die ersten 10 Sekunden sind stumm!).
So oder so ähnlich darf man sich auch mein Date mit Hannes vorstellen
und ich möchte euch wirklich nicht weiter mit den Details langweilen,
weil ich meinem Gegenüber schon nach einer halben Stunde seiner
Schwarzmalerei Schmerzen mit einem Buttermesser zufügen wollte. Es war
circa zur Hälfte des Dates, als ich den fatalen Fehler machte, von einem
Besuch bei Starbucks zu berichten. Eigentlich hätte ich wissen müssen,
dass diese Aussage bei meinem Gesprächspartner nicht gut ankommen würde,
doch irgendwie wollte ich ihn auch provozieren. Hannes weitete seine
Augen, als hätte ich gerade von einem Kaffeekränzchen mit Lord Voldemort
erzählt: „Ich finde es absolut furchtbar, dass du Starbucks unterstützt
Wie kannst du so einer kapitalistischen Kette dein Geld geben, wo es in
Wien hunderte Kaffeehäuser gibt, die wegen Leuten wie dir immer öfter
zusperren müssen?“ Okay, vielleicht bin ich ein schrecklicher Mensch,
aber wenn ich um 7 Uhr mrogens im Halbschlaf aus dem Bett krieche, denke
ich mir selten „So! Jetzt ziehe ich mir meine Birkenstocks an und hole
mir einen fair-gehandelten Kaffee aus einem unabhängigen Kaffeehaus!“,
sondern entscheide mich einfach für jenes Lokal, das ich fluchtartig
betreten und verlassen kann, damit niemand merkt, dass ich unter meinem
Mantel noch immer meinen Pyjama trage: Starbucks.
Es war
spätestens in diesem Moment, als ich mich fragte, warum ich mir
überhaupt ein Date mit einem völlig Fremden, der sich wohl insgeheim
eines Tages einen Heiligentitel erhoffte, angetan hatte. Sofort fiel mir
ein: Aufgrund des Valentinstags. Würden mir das Fernsehen, die Werbung
und unzählige Newsletter nicht vermitteln, dass ich zu dieser Jahreszeit
mit meinem Schatz auf einem Tandem durch die Stadt fahren muss, während
wir „I Got You Babe“ singen, könnte ich jetzt völlig zufrieden zuhause
sitzen und Bratkartoffeln essen. Inspiriert von der Erkenntnis, dass
dieses Date schrecklich und ich im Moment nicht wirklich einen Freund
wollte, sondern einfach zu einem hilfloses Medien-Opfer geworden war,
beendete ich es frühzeitig mit der Ausrede, ich sei müde. Hannes, der
wohl mehr Spaß gehabt hatte, als ich, hoffte, wenigstens noch seine
körperlichen Bedürfnisse befriedigen zu können: „Möchtest du vielleicht
noch einen Kaffe bei mir trinken?“. Höflich verneinte ich und sah meinem
Gegenüber tief in die Augen. Sollte ich es wirklich sagen? War es nicht
ein bisschen fies? „Aber vielleicht gehe ich noch zu Starbucks!“,
setzte ich schließlich kindisch drauf und ging beschwingt meiner Wege.
In diesem Sinne: Frohen Valentinstag, liebe Leser!
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