Sexismus

Achtung! Achtung! In der Werbung wimmelt es von subtiler Geschlechtertrennung und einem gewissen Kolumnisten geht das gehörig gegen den Strich. Gedanken über Spielwaren, Pippa Middleton und Stifte für Frauen.

Meine Freundin Nicole studiert Maschinenbau an der Technischen Universität und ist die einzige Frau in ihrem Kurs. Während unseres letzten Treffens beschwerte sie sich bei mir darüber, aus diesem Grund ständig von all ihren Kommilitonen angeflirtet zu werden. Es fällt mir ein bisschen schwer, Nicoles Problem zu verstehen, da so selten mit mir geflirtet wird, dass ich schon die Hochzeitsglocken läuten höre, wenn mir der Verkäufer im Supermarkt um die Ecke kein Geld für eine Plastiktasche verrechnet. „Ich verstehe es nicht!“, beklagt sie sich immerzu „Warum schlagen eigentlich nicht mehr Frauen diese und ähnliche Studienrichtungen ein?“. Das ist eine berechtigte Frage und adressiert ein Thema, über das ich mir schon längere Zeit Gedanken mache.

Pippa Middleton ist eine Idiotin. Natürlich mochte ich sie anfangs, denn wie kann man eine Frau, deren Gesäß William und Kate bei der Königshochzeit die Show stiehlt, nicht mögen? (Nein, ich leide nicht an Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom; Es besteht hier tatsächlich ein Zusammenhang zu Maschinenbau. Bitte dranbleiben!) Während einer Signierstunde ihres neu erschienen Ratgebers „Celebrate“, in dem sie Tipps für gelungene Partyplanung gibt, kam junges Mädchen auf Pippa zu und sagte, dass sie Prinzessinen und Mädchen-Kram generell nicht ansprechend finde und mehr ein jungenhaftes Mädchen sei. Dies wäre Pippas große Chance gewesen, weise Worte an die junge Besucherin zu richten. Schon ein simples „Du kannst alles toll finden, was du willst!“ hätte gereicht. Aber nein! Stattdessen entgegnete Pippa: „Spätestens wenn du 10 bist, wirst auch du Prinzessinnen lieben!“ und vermittelte dem Kind damit im Grunde genommen, dass es schon bald ein „richtiges“ Mädchen werden würde. (Und wer ganz genau lauschte, konnte vermutlich hören, wie sich Simone de Beauvoir im Grab umdrehte.)

Pippas Aussage markiert leider nur die Spitze des ignoranten Eisbergs. Ein Ausflug in einen Spielzeugladen gleicht einer Zeitreise in die 1960er Jahre: Für Jungen gibt es Superhelden, Baukästen und Feuerwehr-Lego, allesamt in dunklen Farben gehalten, während sich Mädchen mit Puppen, Küchen (!) und Bügeleisen (!!!) in zarten Pastelltönen zufrieden geben müssen. Natürlich ist es durchaus auch möglich, einem Mädchen einen blauen Baukasten zu kaufen oder einen Jungen mit einer pinken Küche zu überraschen und ich applaudiere all jenen Eltern, die das auch tatsächlich tun. Dennoch stört mich, dass Kinder ausgerechnet in ihrer Prägephase von Marketing-Firmen in Schubladen gesteckt werden, aus denen sie oftmals ihr ganzes Leben lang nicht mehr rauskommen. Ich wage mal ganz frech zu behaupten, dass ein Zusammenhang zwischen dem Defizit von „Baukästen für Mädchen“ und dem Mangel an Frauen im Maschinenbaustudium besteht.

Wer übrigens glaubt, dass die unsinnige Geschlechtertrennung nur bei Spielzeugen vorhanden ist, liegt leider falsch: Erst vor ein paar Monaten hat der Schreibwarenhersteller BIC „Stifte für Frauen“ auf den Markt gebracht. Das sind ganz normale Stifte, aber sie in „weiblichen Farben“. Und sie kosten doppelt so viel wie herkömmliche „Männer-Stifte“.

Doch auch umgekehrt ist diese Trennung möglich: Erst vor ein paar Tagen verschlug es mich in eine Parfümerie. Da mein Einkauf relativ groß war, riet mir die Verkäuferin, ein bisschen sparen und mir eine Vorteilscard zulegen. „Michael, sag JA zum Leben!“, dachte ich mir und willigte ein, woraufhin mir die quirrlige Dame statt einer herkömmlichen Karte ohne Aufdruck eine „Vorteilscard pour Homme“ reichte. Da ich zu dieser Zeit gerade mit der Recherche für diese Kolumne beschäftigt war, konnte ich nicht anders, als nachzuhaken. „Entschuldigen Sie, Sie haben mir eine Karte für Männer gegeben. Wieso bekomme ich keine normale Karte?“ - „Naja...sie ist für Männer.“, entgegnete mir mein Gegenüber verblüfft. „Jaja, schon klar. Aber was ist der Unterschied zu einer Vorteilscard für Frauen?“ - „Sie haben genau die gleichen Vorteile, aber sie ist eben für Männer.“ - „Es gibt also keinen Unterschied?“ - „Naja, doch...sie ist für Männer.“ Dieser abstruse Austausch hätte sicherlich bis in die frühen Morgenstunden weitergehen können, doch aus Zeitdruck beschloss ich, die Parfümindustrie einfach mal mit ihrer überflüssigen Geschlechtertrennung davonkommen zu lassen und verließ fluchtartig den Laden.

Nein, ich bin nicht wütend, weil ich eine Männer-Karte bekommen habe oder weil Frauen-Stifte zum Verkauf angeboten werden - ich verstehe nur den Sinn dahinter nicht. Gibt es allen Ernstes Frauen, die sagen „Oh ja, diesen Stift kann ich verwenden, um meine Einkaufsliste zu schreiben, wenn ich meinem Mann ein Sandwich machen will!“? Wir schreiben das 21. Jahrhundert; es ist uns gelungen, einen Mann ins All zu schicken und ihn aus 36km Entfernung wieder auf die Erde springen zu lassen; dennoch investiert niemand die Zeit und das Geld darin, gender-neutrale Spielwaren auf den Markt zu bringen und Kinder jenseits des Schubladen-Denkens selbst entscheiden zu lassen, womit sie nun spielen möchten.

Doch es gibt Hoffnung: Amazon-Bewertungen zu den „BIC for Her“-Stiften, zeigen nicht nur, dass die breite Masse diese Idee ebenfalls lächerlich findet, sondern ihre Kritik auch in absolut sarkastischen und wunderbar lustigen Rezensionen auszudrücken weiß. (Definitiv lesenswert!) Die Amerikanerin Debbie Sterling entwickelt zudem gerade „Goldie Blox“; einen Baukasten, der Mädchen davon überzeugen soll, dass auch sie handwerkliches Geschick erlernen können, wenn sie wollen. Und dann gibt es da noch dieses intelligente kleine Mädchen, das meinen Glauben an die Menschheit eigenhändig wieder hergestellt hat. Es sollte sich mal mit Pippa Middleton unterhalten.

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