Romantische Komödien

Nach dem Tod von Nora Ephron frage ich mich ob die klassische romantische Komödie ausgestorben ist und uns jetzt nur noch deprimierende Liebesgeschichten der Sorte „Willkommen in Michaels Leben" erwarten.
 
Vor ein paar Jahren habe ich einen Artikel im TIME-Magazine gelesen, in welchem starke Kritik an romantischen Komödien gehegt wurde. Eine von der Heriot Watt University durchgeführte Studie habe ergeben, dass ein Großteil der Probleme, die Klienten diverser Paar-Therapeuten miteinander haben, auf durch romantische Komödien verursachte, falsche Vorstellungen von der Liebe zurückzuführen sind. Dr. Bjarne Holmes habe zudem eine Forschung durchgeführt, bei der 130 Testpersonen der Film „Weil es Dich gibt" mit John Cusack und Kate Beckinsale gezeigt wurde, während eine andere Gruppe der gleichen Größe ein David-Lynch-Drama zu sehen bekam. Die Zuseher der romantischen Komödie gaben im Anschluss vermehrt an, an Schicksal und Seelenverwandtschaft zu glauben, was Dr. Holmes zu dem Fazit brachte, dass Liebhaber romantischer Komödien in einer Scheinwelt leben, was zu falschen Erwartungen und unvermeidlichen Enttäuschungen in der „realen Welt" führen könnte.
 
Interessant! Ich persönlich möchte Dr. Bjarne Holmes finden, mit den Worten „Riecht dieser Lappen Ihrer Meinung nach auch nach Chloroform?" überraschen, sie in einen Teppich rollen und dann von der Brücke werfen. Dies hat einen besonderen Grund: Ich LIEBE romantische Komödien und schaue sie, seit ich ein kleines Kind war. Nichts erfüllt mich mehr, als Frauen (die in 80% der Fälle in einer „Kunst-Galerie" arbeiten) dabei zuzusehen, wie sie zu Beginn des Films auf schusslige Weise in die Arme eines Mannes stolpern, sich unsterblich in diesen verlieben und nach der Überwindung etlicher Hindernisse (sowie einer lustigen Makeover-Montage!) doch ein Happy End mit ihm feiern. Oft werde ich jedoch besonders von Hipster-Freunden für meine Vorliebe verachtet: „Michael, wie kannst du nur diese klischeehaften Filme lieben? Das zeugt nicht gerade von Intelligenz!". Doch wenn es als „intelligent" gilt, Sofia-Coppola-Filme zu mögen, die zwar schön anzusehen sind, aber von der Story her genau so gut zwei Stunden lang einen verfaulenden Oktopus am Strand zeigen könnten, bin ich lieber dumm.
 
Meine beiden Favoriten des romantischen Genres sind „Harry und Sally" und „E-Mail für Dich", welche beide aus der Feder der kürzlich verstorbenen Drehbuchautorin Nora Ephron stammen und klassisch mit Happy End schließen. Allerdings fällt mir in letzter Zeit ein neuer Trend auf: Populäre Produktionen der vergangenen Jahre (man denke z.B. an„500 Days of Summer" oder auch die neue Serie „Girls") handeln immer öfter von Enttäuschungen und Liebesgeschichten ohne glückliches Ende. Diese Storys sind ohne Zweifel aus dem Leben gegriffen, doch wirft sich mir eine beunruhigende Frage auf: Ist gemeinsam mit Nora Ephron etwa auch die von ihr geprägte, klassische romantische Komödie gestorben?

Dr. Bjarne Holmes' Studie beschäftigte mich zudem: Weil ich mit RomComs aufgewachsen war, musste ich doch bestimmt ein verzerrtes Bild von der Liebe haben, was wohl der Grund dafür ist, dass ich mich von meinen Romanzen manchmal enttäuscht zeige. Im Herbst des vergangenen Jahres hatte ich zum Beispiel gerade einen kleinen Streit mit Patrick, meinem damaligen Flirt, und war an einem verregneten Abend alleine zuhause, als es plötzlich an der Tür klingelte. „Michael, ich muss mit dir reden!" tönte es mir entgegen - es war Patrick! Er war allen Ernstes im Regen zu meiner Wohnung gelaufen, stand nun vor meiner Tür und wartete darauf, von mir hereingelassen zu werden. Ich kam mir vor wie im 3. Akt einer romantischen Komödie, kurz vor dem Happy End, bei welchem wir uns erst versöhnen und dann küssen würden, bevor ich schließlich kess in die Kamera zwinkern würde und im Abspann irgendein beknacktes Lied von Joss Stone läuft.
 
Leider hatte Patrick nicht in Betracht gezogen, dass ich nach unserem Streit in meiner ekelhaften, selbstmitleidigen „Ich hasse alle Menschen und werde nicht das Haus verlassen!"-Laune war. In anderen Worten: Ich lag nackt und mit zerrauftem Haar im Bett und war gerade dabei, die Familienpizza vom Vortag zu essen. Nicht gerade das, was Meg Ryan tun würde. „Komm ruhig rauf!", sagte ich dennoch und startete somit den Wettlauf gegen die Zeit. Binnen einer Minute gelang es mir tatsächlich, mir schnell etwas anzuziehen, den Pizzakarton zu verstecken und ein Kaugummi zu finden, damit ich beim unvermeidlichen Versöhnungskuss mehr nach Pfefferminz und weniger nach „Pizza Quattro Formaggi" roch. Kaum war Patrick zur Tür hereingekommen, setzten wir uns in mein Esszimmer und ich war bereit für unsere Versöhnung.
 
Doch so weit kam es nie. Stattdessen sagte mir mein spontaner Besucher, dass er in letzter Zeit kein Interesse mehr an mir hatte und wir unser Verhältnis besser beenden sollten. In jenem Moment kam es mir beinahe so vor, als hätte ich Dr. Bjarne Holmes schallend lachen und die Worte „Ich habe dich ja gewarnt..." flüstern hören, bevor sie auf ihrem Hexenbesen wieder durch die Tiefen der Nacht ritt. Anstatt Verstand zu beweisen, wie am Spieß „Was machst du vor meiner Wohnung, du Psycho?!" zu schreien und dann „You Don't Own Me" über die Gegensprechanlage zu singen, glaubte ich aufgrund der RomCom-Gehirnwäsche dummerweise doch an ein Happy End mit Patrick.
 
Zugegeben: Ich weiß zwar, dass romantische Komödien wie Science-Fiction-Filme zu behandeln sind und dass so gut wie jede Figur, die von Jennifer Aniston verkörpert wird, in etwa so real und glaubwürdig ist wie R2D2; und klar, „500 Days of Summer" ist ein toller Film (und ich kann jedem von euch nur empfehlen, sich mal ein paar Folgen „Girls" anzusehen), doch wenn ich gescheiterte Romanzen und Enttäuschungen sehen möchte, muss ich - so armselig das auch klingen mag - eigentlich nur mein Liebesleben der letzten paar Monate Revue passieren lassen. Aus eben diesem Grund liebe ich kitschige romantische Komödien mit Happy End: Sie bieten mir die Möglichkeit der Realitätsflucht. Und diese lasse ich mir weder von Dr. Bjarne Holmes, noch von meinen Hipster-Freunden nehmen.
 
Mögt ihr romantische Komödien, liebe Leser, oder sind sie euch doch zu realitätsfern? Und: Welche Filme des Genres sind eure Favoriten?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen