Nostalgie

Während des Auftritts der Spice Girls bei der Schlusszeremonie der Olympischen Spiele überkam mich die Nostalgie - und daraufhin die Frage, ob Nostalgie in unserem Zeitalter der Comebacks und Remakes überhaupt noch legitim ist.

Schon als kleines Kind war ich großer Spice Girls-Fan. Die leidenschaftliche Vorliebe für die fünf fabelhaften Britinnen habe ich zum Teil meiner großen Schwester zu verdanken. Ich erinnere mich noch an einen Ausflug in den Video-Laden, bei dem mir meine Mutter versprochen hatte, mir eine VHS-Kassette meiner Wahl zu kaufen. Gerade zog ich in Betracht, mich für „Prinzessin Barbie im Zauberland" (oder was auch immer ich als 5jähriger Homo damals toll fand) zu entscheiden, als wie ein Teufel auf meiner Schulter plötzlich meine Schwester - ihres Zeichens großer Spice Girls-Fan - neben mir auftauchte. „Weißt du, Michael, wenn du dir ,Spice World' aussuchst, bin ich für eine Woche dein Diener!". Schon damals von schmierigen Machenschaften nicht ganz abgeneigt, erschien mir dieser Vorschlag wie ein guter Deal. Dennoch wollte ich das meiste daraus rausholen. „Zwei Wochen!", konterte ich. „Abgemacht!", sagte meine Schwester und die Sache war geritzt. Die zwei Wochen, in denen mir meine Schwester auf Befehl Limonade servierte, sollten schnell vorüber sein, meine Vorliebe für die Spice Girls dagegen aber ewig währen. Meine „Spice World"-VHS hüte ich immer noch und nehme mir ständig vor, mir den Film anzusehen, falls mich mal die Nostalgie überkommen sollte.

Doch das ist nicht notwendig: Denn wer hätte gedacht, dass die Spice Girls fast 15 Jahre später immer noch für Furore sorgen? Letzten Sonntagabend blieb ich alleine zuhause, schaltete mein Handy auf lautlos und vergrub mich in meinem Bett, wo ich sehnsüchtig den Auftritt der für jenen Abend wiedervereinten Girl-Band bei der Schlusszeremonie der Olympischen Spiele erwartete. Posh, Sporty, Baby, Scary und Ginger Spice stürmten die Bühne in bunt leuchtenden, englischen Taxis und ernteten tosenden Applaus, während sie aufgepeppte Versionen ihrer Hits „Wannabe" und „Spice Up Your Life" sangen und ein gewisser Michael Buchinger unterdessen die ein oder andere Freudenträne rührte. Doch nicht nur das: Auch Eddy und Patsy, das beliebte Duo aus der 90er Serie „Absolutely Fabulous" feierte 2012 - teilweise auch im Rahmen der Olympischen Spiele - sein Comeback. Klar freue ich mich darüber und verkündete vor meinen Macho-Freunden stolz „Ja, auch ich habe die Olympischen Spiele! geschaut", (verschweige aber, dass ich damit lediglich die AbFab-Folge und den Spice-Girls-Auftritt meine), aber dennoch bringt mich dieses 90er-Flashback zum Nachdenken: Wer braucht schon Nostalgie, wenn alles, was früher gut war, heute immer wieder frisch aufgewärmt wird? Wie können wir inErinnerungen an die „gute alte Zeit" der 90er, bzw. auch der 80er oder 70er schwelgen, wenn sie uns immer wieder in von Kai Pflaume moderierten „Chart Shows" unter die Nase gerieben werden und mittlerweile sogar die Beach Boys ein neues Album rausgebracht haben? Um ehrlich zu sein vergesse ich dadurch allmählich, wie sich Nostalgie anfühlt.

Die Spice Girls sind also wieder in aller Munde, „Dallas" kommt bald wieder im neuen Glanz ins Fernsehen zurück und Lindsay Lohan kündigte an, mit Jennifer Lawrence ein „Thelma & Louise"-Remake machen zu wollen (Michael Buchinger kündigte indessen an, sich die Augen auszureißen, sie in einen Briefumschlag zu stecken und diesen mit freundlichen Grüßen an Lindsay Lohan zu schicken). Das alles ist schön und gut und ich freue mich über „Bridget Jones 3" genau so sehr wie jeder andere normale Mensch, aber dennoch muss ich mich fragen: Serviert uns die Unterhaltungsindustrie etwa Jahr für Jahr heimlich die gleichen Dinge in neuer Verpackung, so wie bei McDonald's, wo es alle paar Monate „Special-Burger" gibt, die (glaubt mir, ich bin Fastfood-Kenner) genau so schmecken wie alles bisher da gewesene? Wir hatten schon dutzende Jane-Austen- Verfilmungen, Film-Varianten beliebter Bühnenmusicals und im Moment sind es Filme über bekannte Comic-Helden, die an den Kino-Kassen boomen. Vergeude ich meine kostbare Zeit, die ich eigentlich online im Habbo-Hotel verbringen könnte, wirklich damit, mir immer wieder die gleichen Inhalte in einer anderen Aufmachung anzusehen?
 
Abgesehen von den Reinkarnationen alter Lieblinge (wie „90210", dem neuen „Muppets"- Film oder „Sister Act - das Musical!"), kann ich mir ein Lachen nicht verkneifen, wenn Zooey Deschanel in einer Talkshow sitzt und gerade ihre „neue" Rolle beschreibt: „Diesmal spiele ich ein Mädchen, das echt schrullig ist und gerne Vintage-Kleider trägt!" Was du nicht sagst, Zooey. All das macht mich weniger wütend, als vielmehr hoffnungsvoll: Da ich weder singen kann, noch einen sonderlich guten Orientierungssinn habe und meine Traumkarriere als singender Telegrammbote daher wohl keine Zukunft hat, kann ich rein theoretisch immer noch erfolgreicher Produzent und/oder Drehbuchautor werden (letzteres vorzugsweise unter dem Pseudonym Michael „Diablo" Buchinger), indem ich einfach beliebte Filme und Serien mit leichten Veränderungen neu auf den Markt bringe.Eine erste Idee habe ich auch schon: „Old Girl": Diese Serie ist im Grunde genommen eine Mischung aus „Golden Girls" und „New Girl", aber statt Zooey Deschanel, zieht Maggie Smith nach dem Ableben ihres Gatten in eine WG mit drei jungen Männern und bringt ihnen Manieren bei, während sie mit Redewendungen aus dem zweiten Weltkrieg um sich wirft. Für große Lacher sorgt insbesondere die Folge, in der Maggie ihr Gebiss in der Wohnung verliert und dieses schließlich im Bett ihres Mittbewohners auftaucht, während er gerade Sex mit seiner neuen Flamme hat. Und wer weiß, wenn ich mir die Idee nicht schnell patentieren lasse, könnte „Old Girl" auch schon demnächst bei uns im Abendprogramm laufen.

An welche Serie, welchen Film oder welchen Musiker denkt ihr gerne mal nostalgisch zurück, liebe Leser?

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