Madonna

Am vergangenen Sonntag, 29. Juli 2012, gab Madonna ein Konzert in Wien. Aufgrund schlechter Ticket-Verkäufe, wütender Fans und eiskalter Stimmung im Stadion fing ich jedoch an, am Ruf der Queen of Pop zu zweifeln.

Als ich das letzte Mal über Madonna schrieb, war mir die Queen of Pop nur als ältere Dame mit Hang zur Provokation und vielen guten Liedern bekannt. Doch spätestens, seit ich mich mit dem Werdegang der Musikerin auseinandergesetzt habe, bin ich begeisterter Fan. Hierzu hat ohne Zweifel die Konzert-Dokumentation „In Bed With Madonna“ beigetragen, in der uns die junge Popsängerin nicht nur zeigt, dass eine große Menge an Hingabe und Ehrgeiz hinter ihren Performances steckt, sondern zudem an einer Glasflasche demonstriert, wie sie Blowjobs gibt. Auch zu empfehlen ist ihr berühmtes Sex-Buch, welches - nebenbei bemerkt - am genauen Tag meiner Geburt (21. Oktober 1992 - bitte notieren! Ich wünsche mir ein Pony!) erschien. Dieser Zufall ist für mich Beweis genug, dass Madonna und ich Seelenverwandte sind und unbedingt einmal in einer Nacht- und Nebelaktion gemeinsam in diverse Gärten und Gewächshäuser einbrechen und Hortensien verbrennen müssen (Madonna hasst Hortensien). Bis dahin nahm ich es mir zum Vorsatz, so bald wie möglich ein Madonna-Konzert zu besuchen. Dieser Traum wurde mir am vergangenen Sonntag im Wiener Ernst-Happel-Stadion verwirklicht.

Ich möchte mich an dieser Stelle nicht auf Streit mit Hardcore-Madonna-Fans einlassen, indem ich andeute, Tickets für jenes MDNA-Konzert in Wien hätten sich nicht so gut verkauft. Ich werde nur Folgendes sagen: Das erste Mal, als mir gratis Tickets für die Show angeboten wurden, dachte ich mir „Heute muss dein Glückstag sein!“. Das zweite Mal, als ein Angebot dieser Art kam, sagte ich mir „Michael, du bist aber ganz schön beliebt!“. Als mich aber schließlich ein Freund fragte, ob ich nicht eine seiner 10 Freikarten haben wollte, hegte ich allmählich den leisen Verdacht, dass ich leider doch nicht beliebt, sondern die Ticketverkäufe einfach nur ziemlich schlecht waren. Ohne lange nachzudenken, nahm ich dankend an und schlich anschließend mit Trenchcoat und Hut in einen nahegelegenen Park, wo ich mein bereits vor Monaten erworbenes Ticket mit den geflüsterten Worten „Ganz selten! Wirklich schwer, noch an Tickets ranzukommen!“ an einen unwissenden Madonna-Fan verkaufte. In Gedanken gab ich mir selbst ein High-Five für meinen ausgezeichneten Geschäftssinn - ich habe aus der MDNA-Tour sogar einenkleinen Profit geschlagen. Danke, Madonna! Dennoch zeigte ich mich besorgt: Waren die schlechten Ticket-Verkäufe ein Zeichen dafür, dass die besten Zeiten der Queen of Pop bereits vorbei waren?

Einst las ich einen Artikel in der Vanity Fair über die Entstehung von Michael Jacksons „Thriller“-Album. Der Text argumentierte, Michaels größter Fehler sei es gewesen, nicht einzusehen, dass er den Erfolg dieses legendären Albums nie toppen würde. Stattdessen verbrachte er den Rest seines Lebens damit, einem noch größeren Erfolg hinterher zu jagen. Beging Madonna, die in den vergangenen Monaten mit gezwungen provokanten Aktionen wie zum Beispiel ihrem Nippel-Blitzer (bei welchem das Publikum schrie, als wäre eine fürchterliche Bombe auf der Bühne eingeschlagen) für Negativ-Schlagzeilen sorgte, etwa den gleichen Fehler? Um ehrlich zu sein lagen all die Dinge, wegen denen ich angefangen hatte, die Sängerin toll zu finden (die Dokumentation, das Sex-Buch,...) 20 Jahre in der Vergangenheit. War Madonna mittlerweile überhaupt noch relevant oder nur noch eine verblasste Version ihres ehemaligen Ichs, die zwanghaft versuchte, ihre einstige Pracht zurückzugewinnen (so wie ich, der ich bis zum heutigen Tag ein altes Facebook- Profilbild aus einer Zeit verwende, als ich einen Bruchteil meines jetzigen Gewichts hatte und noch regelmäßig Körperpflege betrieb)?

Wenige Wochen später, in einem nicht ganz vollen Stadion am Rande Wiens, sollte ich die Antwort auf meine Frage finden. Nur einige Tage zuvor kam es erneut zu einem kleinen Skandal um Madonna: Bei einem Auftritt in Paris wurde gebuht und mit Plastikflaschen nach der Sängerin geworfen. Leichte Besorgnis also wurde in mir erweckt, als die Besucher des Wien-Konzerts bereits vor Beginn der Show zu buhen anfingen, nachdem der Star schon fast eine Stunde lang auf seinen Auftritt warten ließ. Um mich herum nahm ich genervte Gesprächsfetzen auf: „Ich wäre jetzt so böse, wenn ich für meine Tickets wirklich bezahlt hätte!“, sagte ein Mädchen zu ihrem Freund. Vor ihr drehte sich eine alte Dame um: „Meine Tickets waren auch gratis!“, grinste sie. Ein Junge, der aufgrund der langen Wartezeit bereits müde am Boden saß, meldete sich zu Wort: „Hey, ich habe auch nicht bezahlt!“. Es schien mir, als wäre diese illustre Truppe kurz davor gestanden, sich an Ort und Stelle „Wir sind gratis bei Madonna!“-Tattoos stechen zu lassen und sich dann hemmungslos vor meinen Augen zu paaren. Ich hätte mich ja furchtbar gerne angeschlossen, wäre ich nicht besorgt darüber gewesen, dass im ganzen Stadion nun scheinbar eiskalter Hass gegen die Queen of Pop herrschte und wohl gleich diePlastikflaschen fliegen würden. Gute Stimmung in der Menge ist bei einem Konzert immerhin die halbe Miete.

Ich machte mir gerade einen Spaß daraus, mithilfe meiner Grindr-App zu ermitteln, ob es denn auf jenem Konzert etwa auch ein paar schwule Besucher gab (Fazit: Server überlastet!), als Madonna endlich auf der Bühne erschien. Ich werde euch hier nicht mit einer ausführlichen Konzert-Rezension langweilen, in der ich das Bühnenbild beschreibe und frei erfundene Wörter wie „tarantinoesk“ einbaue, um intelligent zu wirken. Stattdessen werde ich eine kleine Beobachtung schildern: Gerade, als Madonna „Like A Prayer“ sang, wagte ich es (weil ich nunmal ein grusliger Stalker bin), mich kurz umzudrehen, um die anderen Konzertbesucher zu beobachten. Ausnahmslos alle - selbst jene, die vorher noch so wütend herumgeschrien hatten, als würden sie sich gleich in den unglaublichen Hulk verwandeln - sangen nun mit, klatschten oder hatten einfach ein Lächeln auf den Lippen. All ihr Kummer schien - zumindest für einen kleinen Moment - wie weggeblasen. Dafür gebührt Madonna meiner Meinung nach großer Respekt: Sie hatte es geschafft, eine wütende, müde und buhende Meute in fröhliche, beschwingte Menschen zu verwandeln. Und solange ihr das gelingt, ist sie meiner Meinung nach immer noch genau so relevant wie bisher.

Wie lautet eure Meinung zu Madonna, liebe Leser? Außerdem brauche ich Musikvorschläge: Welcher Künstler schafft es immer, euch zu besserer Laune zu verhelfen?

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