Kaufwahn

An einem besonders denkwürdigen Tag hat Michael mitten im Supermarkt einen Geistesblitz und beschließt aufgrund einer „Sex and the City“-Folge, sein Konsumverhalten ein für alle mal zu verändern.

Ich stehe gerade mit fünf Tiefkühlpizzen an der Kassa des Supermarktes und halte bereits mein Portemonnaie in der Hand, als ich plötzlich einen Sinneswandel erlebe. Eigentlich habe ich in meiner Wohnung doch den ganzen Kühlschrank voll von Essen. Wieso kaufe ich diese Pizzen überhaupt? Und wiese gleich fünf Stück davon? „Ohne mich!“, schreie ich wohl ein bisschen zu laut, packe meine Pizzen wieder zusammen und gebe sie hastig zurück ins Kühlregal, so als wäre mir plötzlich eingefallen, dass ich Salami-Pizza eigentlich nicht ausstehen kann. Obwohl manche Beobachter dieses Spektakels vielleicht ihre Hände über dem Kopf zusammenschlagen und damit argumentieren mögen, dass dieser verrückte Michael Buchinger morgens mal wieder seine Pillen mit Rotwein runtergeschwappt habe, gibt es einen triftigen Grund für mein merkwürdiges Verhalten: Ich versuche, bewusster mit meinem Geld umzugehen.

Warum aber dieser plötzliche Sinneswandel? Schwebe ich in massiver Geldnot und werde von meinen Kredithaien gejagt, oder versuche ich, meine Rechnungen mit Kaugummi zu bezahlen? Weder noch, liebe Leser - wie so viele meiner Lebenskrisen wurde auch meine neueste Erleuchtung von einer „Sex and the City“-Folge, die ich am Vortag gesehen hatte, herbeigeführt. Es handelt sich dabei um die Episode, in der Carrie und ihr Freund Stanford auf der Party einer Freundin und Kindesmutter sind. An der Tür wird Carrie gebeten, ihre teuren Schuhe auszuziehen, was leider darin resultiert, dass diese gestohlen werden. 90% der Folge bestehen nun daraus, dass Carrie versucht, ihre Freundin zum Bezahlen des gestohlenen Paars zu bringen, doch diese versteht die Situation nicht und argumentiert, dass sie nun Mutter sei und keine Zeit für solche Blödheiten habe. Hier fängt die Kacke erst richtig zu dampfen an, denn Carrie stellt in Frage, ob jede Frau zur Selbstverwirklichung Hausfrau und Mutter werden muss. Sie kommt mehr oder weniger zu folgendem Entschluss: Nein, ich kaufe teure Schuhe für mich selbst, also bin auch ich eine Frau.

Die Aussage der Episode spielt auf die feministische Welle der 1960er Jahre an, als Frauen anfingen, sich von ihrem eigenen Geld hochpreisige Kleidungsstücke zu kaufen, um ihre Unabhängigkeit zu beweisen. Vom Feminismus mal ganz abgesehen, brachte mich dieser historische Fakt zum Nachdenken: Unabhängigkeit ist toll, aber treiben wir es nicht manchmal ein bisschen zu weit, sodass das genaue Gegenteil - nämlich Abhängigkeit - eintritt? Immer öfter kaufe ich Dinge nicht weil ich sie brauche, sondern weil ich von Langeweile oder schlechter Laune befallen bin und die Werbung mir sagt, dass es mir besser geht, wenn ich einkaufe. Mache ich mich damit nicht wiederum vom Konsum abhängig? Obwohl diese Angewohnheit sicher immer noch besser ist als eine Nikotin- und Drogen-Sucht, ist es doch ein wenig merkwürdig, wenn ich mich beim Strandurlaub mit der Familie kurz auf mein Zimmer entschuldige, um online an einer Pelz-Auktion teilzunehmen und den anderen Usern Hass-Nachrichten zu schicken, falls sie mich nicht gewinnen lassen. Sicherlich würde ich schon bald von meinen Eltern unter dem Vorwand einer „Käse-Verkostung“ in einen Hinterhalt gelockt werden, wo sie mir dann erklären, dass meine Kaufsucht die Familie zerstört.

Doch es gibt Hoffnung: Wie ihr vielleicht wisst, habe ich vor gut einem Monat 70% meiner Kleidung auf einem Flohmarkt gekauft und bin überrascht, dass mir diese Stücke überhaupt nicht fehlen. Kein einziges Mal habe ich mir gedacht „Ach, hätte ich doch den Sombrero nicht verkauft, er würde heute so gut zu meinem pfiffigen Poncho passen!“ Ich bin genau so zufrieden mit meinem Leben wie zuvor und habe gelernt, dass meine Kleidungsstücke und Besitztümer mich nicht zu dem machen, was ich bin. Und weil das so gut geklappt hat, dachte ich mir „Warum bei Kleidung aufhören? Es ist der perfekte Moment, um mein allgemeines Kaufverhalten zu ändern!“ Weil ich aber nicht daran glaube, dass wir einen Jahreswechsel brauchen, um bessere Menschen zu werden (genauso, wie man Diäten nicht erst „am Montag“ anfangen muss), habe ich schon mehrere Wochen vor Silvester den Vorsatz gefasst, nur Dinge einzukaufen, die ich auch tatsächlich brauche, anstatt unnützen Krempel, den ich nur dazu benötige, um Leute zu beeindrucken, die ich nicht leiden kann.

Seit diesem befreienden Entschluss nerve ich meinen gesamten Freundeskreis mit meiner Philosophie und bin dafür bekannt, auf Geburtstagspartys die reich-beschenkten Gastgeber mit erhobenem Zeigefinger und den Worten „Es freut mich, dass du so viele Geschenke bekommen hast, aber wenn du nicht aufpasst, werden deine Besitztümer bald dich besitzen!“ zu warnen. (Irgendwie werde ich in letzter Zeit nicht mehr so oft auf Partys eingeladen). Als ich an jenem denkwürdigen Tag die Tiefkühlpizzen also wieder zurück ins Kühlregal legte, hatte ich ein überraschend befreites Gefühl. Es wird sich zeigen, wie lange es mir gelingen wird, diesen Vorsatz zu halten, doch ich werde mein Bestes tun, meine Impulskäufe in Grenzen zu halten. Auch wenn das bedeutet, dass die Tiefkühlindustrie im Jahr 2013 schwere Umsatzrückgänge erleiden wird.

Wie lauten eure Vorsätze für das neue Jahr? Ich wünsche euch einen guten Rutsch, liebe Leser!

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