Homophobie

Am vergangenen Freitag, dem 11. Mai 2012, feierte der Kurzfilm „HOMOPHOBIA" im Wiener Gartenbaukino Premiere. Die ergreifende Thematik des Films regte mich dazu an, über meine eigenen Erfahrungen mit Homophobie zu reflektieren.
 
Besonders in den letzten Jahren wurden vermehrt Aktionen und Initiativen gegen Homophobie und Mobbing gestartet, so z.B. das von Dan Savage gestartete „It Gets Better Project", welches homosexuellen Mobbingopfern mithilfe von Mutzusprüchen prominenter Gesichter Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben soll. Obwohl ich Projekte dieser Art natürlich sehr unterstütze, verstehe ich gleichermaßen den Groll vieler Teenager, die mit Mobbing zu kämpfen haben: Es ist schön und gut, wenn einem Katy Perry vergewissert, dass bald alles besser wird, doch diese Message ist besonders frustrierend, wenn man bereits tags darauf erneut hasserfüllte Kommentare über sich ergehen lassen muss, während Katy vermutlich gerade wieder darüber singt, dass sie sich wie eine Plastiktüte fühlt. Woher will sie denn schließlich wissen, dass es wirklich besser wird?
 
Im Laufe meiner Jugendjahre hatte auch ich lange mit Homophobie und Ausgrenzung zu kämpfen. Ich sollte hier vielleicht dazu erwähnen, dass ich acht Jahre lang eine katholische Schule besucht habe - während ich in den Pausen die Gänge entlang schlenderte, fühlte ich mich deshalb oft so, als würde ich mit einer frisch geschlachteten Sau durch ein Vegetarier-Festival latschen. Ich erinnere mich noch genau, als mich unsere Französisch-Lehrerin vor der versammelten Klasse, scheinbar aus heiterem Himmel, fragte, ob ich denn schwul sei. Dies war zu einem Zeitpunkt, als ich noch ungeoutet lebte, weswegen mir die Situation extrem unangenehm war. Ich lief rot an und verweigerte eine Antwort. Als ich nach Hause kam, schlug ich im Wörterbuch sofort einige französische Fluchwörter nach - nur für den Fall der Fälle.
 
Vielmehr als das Lehrpersonal, mit dem ansonsten kaum Probleme gab, machten mir jedoch so manche Mitschüler zu schaffen, für die es scheinbar eine Sensation unvorstellbaren Ausmaßes war, einen Schwulen unter ihnen zu haben. Insbesondere ein Junge, ich nenne ihn mal „Manuel", machte es sich zum Ziel, mich nahezu täglich mit seinen Freunden zu schikanieren. Ich konnte ja noch ein ganz klein wenig nachvollziehen, warum die Situation für diese leicht zu belustigenden Teenager unterhaltsam war: Jeder, der auf irgendeine Weise „anders" ist, wird explizit darauf hingewiesen - so sind Kinder und Jugendliche leider manchmal. „Hey, da ist ein schwuler Junge! Wir sollten ihm sagen,dass er schwul ist! Und schau! Da hinten geht ein dicker Afro-Amerikaner - es muss unser Glückstag sein!". Fun-Fun-Fun!
 
Ich war nach einiger Zeit nichtmal mehr sonderlich gekränkt von diesen Beleidigungen, sondern vielmehr verwirrt; immerhin wusste ich ja selbst, dass ich schwul war und machte mittlerweile auch kein großes Geheimnis mehr daraus. Die meisten Schüler hatten ohnehin schon eine leise Vorahnung, was meine Sexualität betraf (mein Referat über Cher könnte ein bisschen dazu beigetragen haben) also handelte es sich wohl kaum um schockierende Neuigkeiten. Dennoch bereitete es Manuel und seinen Freunden großen Spaß, mich stets auf meine Homosexualität hinzuweisen. War es nicht schön langsam langweilig für sie? Wollten sie sich nicht lieber ein anderes Opfer suchen? Eine Stufe unter mir gab es eine Schülerin, die lispelte UND schielte. Dennoch machte man sich lieber über mich lustig. Warum war Manuel bloß so homophob?
 
Es war einige Wochen vor den Sommerferien, als ich die Antwort auf meine Frage erhielt. Nach der nächsten homophoben Bemerkung, ging ich, anstatt ihn zu ignorieren, auf Manuel zu, um ernst mit ihm zu sprechen. Wir waren gerade alleine und ich vergewisserte mich, dass niemand mich hören könnte. „Sag mal, ist dein Bruder nicht auch schwul?", fragte ich. Es stimmte: Tage zuvor hatte ich, weil ich ihn auf einer Party „kennengelernt" hatte, erfahren, dass Manuels älterer Bruder vor Familie und Freunden geoutet schwul lebte. Obwohl mir die Situation anfangs noch paradox erschien, bestätigte sie meine Vermutung, dass es sich beim Schwulenhass jenes Schülers um mehr als nur eine grundlose Abneigung, sondern vielmehr um ein tieferliegendes Problem handeln musste. Ich wartete seine Reaktion gar nicht erst ab, sondern ließ ihn mit einem ausdruckslosen Gesicht im Gang stehen und hoffte, dass er endlich erkennen würde, wie widersprüchlich und sinnlos seine Homophobie war. Mit diesem Tag nahm das Mobbing sein Ende.
 
Kurt Cobain hatte also vielleicht gar nicht so unrecht, als er einst feststellte: „Everyone is gay!" - sei es nun der eigene Bruder, Neil Patrick Harris oder der merkwürdige Kolumnist, der jeden Sonntag peinliche Geschichten im Internet teilt. Statistisch gesehen sind nämlich 10% bis 12% der Bevölkerung homo- oder bisexuell (man munkelt sogar, dass es auf Michael-Buchinger-Partys bis zu 100% sein können). Allein aufgrund dessen hat Homophobie in unserer Gesellschaft nichts zu suchen - schließlich ist es doch absurd (und vermutlich ziemlich anstrengend), jeden zehnten Menschen aufgrund seiner Sexualität zu hassen. Obwohl definitiv noch immer einiges erreicht werden muss, habe ich allein inmeinen Jugendjahren große Fortschritte in unserer Gesellschaft festgestellt und freue mich auf jene Fortschritte, die uns noch erwarten (Good News! Erst in dieser Woche hat Barack Obama die Homo-Ehe öffentlich befürwortet). Ich schäme mich zwar ein bisschen dafür, aber in dieser Hinsicht muss ich muss Katy Perry einmal Recht geben: Es wird wirklich besser.

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