Festivals

Dieses (und vergangenes) Wochenende findet in Indio, Kalifornien das beliebte Musikfestival Coachella statt und lockt, wie alle Jahre seit 1999, Stars und Sternchen aufs Festival-Gelände. Gedanken über Festivals, Natur und Zeltsex.
 
In den vergangen Tagen schien es mir geradezu unmöglich, auf Facebook oder Twitter zu gehen, ohne dabei nicht früher oder später über das Wort „Coachella" zu stolpern. (Dies kam sogar so häufig vor, dass ich beschloss, ein Trinkspiel daraus zu machen und für jede Coachella-Meldung einen Shot zu nehmen. Es war eine der besten Wochen seit langem.) Dieses Jahr wird das Musikfestival (mit Headlinern wie Dr. Dre, Snoop Dogg und The Black Keys) gleich zwei Wochenenden lang zahlreich von prominenten Gesichtern besucht. Während ich mir Bilder von Rihanna, die gerade Koks von der Glatze ihres Bodyguards schnupft, und dutzenden, im Boho-Look gekleideten Starlets ansah, konnte ich nicht anders, als diese glamouröse Scheinwelt mit meinen eigenen Festival- Erfahrungen zu vergleichen.
 
Ich muss gestehen, dass ich vor meinem 19. Lebensjahr noch nie auf einem Musikfestival gewesen war. Es ist nicht so, als wäre ich nie dazu eingeladen worden, allerdings gab es bei den meisten Veranstaltungen nie wirklich Bands oder Solokünstler, die meinem Geschmack entsprachen und ich blieb daher bei dem Entschluss: Solange Liza Minnelli nicht auf einer dieser Veranstaltungen auftritt, werde ich auch keine besuchen. All das änderte sich, als ich im vergangenen Jahr eine Diskussion mit meiner Freundin Barbara führte, die des Öfteren Festivals besuchte und mich überzeugen wollte, sie auf das Beatpatrol, ein Electro-Event, zu begleiten. Wie bereits in einer früheren Kolumne angemerkt, sind Electro, Dubstep, usw. Musikrichtungen, die ich einfach nicht verstehe („Wo bleibt die Melodie?" schreie ich dann auf der Tanzfläche, während ich mit zum Himmel gerichteter Faust ravenden Youngsters das Fürchten lehre) und ließ dies meiner Freundin wissen. „Aber Michael! Dabei geht es ja gar nicht so sehr um die Musik, als um das Festival-Feeling an sich. Man übernachtet gemeinsam im Freien und macht Party. Das ist witzig!" Aber was war denn so besonders daran? Ich hatte schon des Öfteren im Freien übernachtet (zugegeben, weil ich meinen Hausschlüssel vergessen hatte) und es war alles andere als „witzig".
 
Ich möchte nicht behaupten, dass ich die Natur hasse oder eine sonderlich noble Person bin, die sich weigert, in einem Zelt zu schlafen. Ganz im Gegenteil: Ich bin sogar dafür bekannt, den Großteil meiner Nachmittage im Park zu verbringen, wenn auch nur deswegen, damit ich glücklichen, sich küssenden Paare mit dem Finger drohen und ihnen „Fun Fact! Jeder vierte Mensch hat eine Geschlechtskrankheit!" hinterherschreien kann. Doch Barbara gab nicht auf. „Außerdem hat jeder eine kleine Festival-Romanze!", argumentierte sie. Ha! Die Erfahrung hatte mir gelehrt, dass „jeder hat eine Romanze" so viel heißt wie „jeder hat eine Romanze, außer Michael, der inzwischen die Jacken und Taschen jener, die gerade Romanzen haben, hält". Ich blieb unbeeindruckt. „Es gibt auch einige Schwule dort!", holte meine Freundin schließlich zum letzten Schlag aus. Das klang schon um einiges interessanter und insgeheim fragte ich mich, ob es vielleicht sogar einen eigenen Zeltplatz für Schwule gab, so wie es in DVD-Läden eigene Abteilungen für „Queer Cinema" gibt (ein Ort, an dem ich besonders gern herumlungere, um Männer kennenzulernen). Kurzerhand beschloss ich, mal nicht so skeptisch zu sein und willigte ein, endlich meine erste Festival-Experience zu haben. Vielleicht würde ich im Nachhinein ja endlich verstehen, was alle Menschen so toll an diesen Veranstaltungen fanden.
 
Okay, an dieser Stelle muss ich schweren Herzens zugeben, dass ich (erneut) mit meinen Vorurteilen völlig falsch gelegen war und eigentlich großen Spaß am Festival-Alltag hatte, aus einem einzigen Grund, den mir Barbara verschwiegen hatte: Auf Festivals ist es sozial akzeptiert, ja sogar erwünscht, tagsüber Alkohol in rauen Mengen zu konsumieren! Wochen zuvor hatte ich meine (überraschend hetero-mäßige) Vorliebe für Bier entdeckt und nutzte das kühle Blonde als Lösung all meiner Festival-Probleme. Schlechte Musik? Ich sollte ein Bier trinken! Die Duschen sind ekelhaft? Ein Bier könnte nicht schaden! Ich habe ins Zelt gekotzt? Am Besten ich wasche mir den Mund mit Bier aus! Barbara hatte Recht: Jeder hat eine Festival-Romanze - meine war mit Bier!
 
Am letzten Tag schließlich befand ich mich gerade auf der Tanzfläche und war sogar gerade dabei, mit Electro-Musik annähernd vertraut zu werden, als ein gut aussehender junger Mann sich mir annäherte. Im Normalfall bedeutet dies, dass hinter mir eine ebenfalls gut aussehende Person steht, zu der er eigentlich hinmöchte, aber in diesem Fall blieb der Bursche vor mir stehen und sparte sich die Begrüßung, um gleich stürmische Küsse der Leidenschaft (ich übertreibe) mit mir auszutauschen. Dir auch einen schönen guten Abend, junger Weggefährte! Schon kurz darauf flüsterte er in mein Ohr „Möchtest du vielleicht in mein Zelt gehen und Sex haben?".
 
Ganz abgesehen davon, dass er mir vielleicht zuerst einen Drink hätte kaufen können, lag allein in dieser Frage für mich die eigentliche Essenz von Festivals, nämlich: „Machen wir all das, was wir auch ganz zivilisiert zuhause machen könnten, aber machen wir es stattdessen bei strömendem Regen in einem engen, unbequemen Zelt." Erst einige Nächte zuvor war mein Zelt beinahe zusammengebrochen, weil ich niesen musste; wenn man darin Sex hatte, würde es vermutlich Feuer fangen. So lehnte ich dankend ab und ging beschwingt meiner Wege, um mir, nachdem der Typ offensichtlich keine Manieren hatte, selbst einen Drink zu kaufen.
 
(Später in jenem Sommer bin ich dann übrigens doch auf meine musikalischen Kosten gekommen und habe endlich Liza Minnelli live gesehen)
 
Obwohl ich ja doch meinen Spaß am Festival hatte, bin ich definitiv eher der Typ, der seine Sommerabende lieber mit einem Buch in der Hängematte verbringt. Gibt es Festival-Liebhaber unter euch? Wenn ja: Wo werdet ihr dieses Jahr hinfahren?

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