Facebook, wiedermal

Jodie Fosters Golden Globe Rede, sowie ein fataler All-You-Can-Eat-Ausflug bringen Michael dazu, seine Facbook- und Twitter-Abhängigkeit nocheinmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Vor ein paar Tagen traf ich mich mit Freunden beim All-You-Can-Eat-Buffet zum Abendessen. Weil wir im Dezember alle viel zu tun hatten, war es unser erstes Treffen seit zwei Monaten und ich konnte es kaum erwarten, neue Geschichten aus dem Leben meiner Mitmenschen zu hören (und so viel Fleisch zu essen, wie auf meinen Teller passte). Sobald wir uns alle begrüßt, niedergesetzt und Essen gefasst hatten, brach ich das Eis und fing an, aus meinem Leben zu erzählen: Ich sprach von meiner Berlinreise, Silvester in Paris und der Tatsache, dass ich Anfang Januar ein bisschen deprimiert war. Meine Freunde sahen mich ausdruckslos an. Was war bloß los? War ihnen aufgefallen, dass ich vorhin ein paar Spareribs in meine Tasche hatte wandern lassen (für „den kleinen Hunger zwischendurch“)? Schließlich meldete sich mein Kumpel Daniel zu Wort: „Ja, Michael, wir wissen das alles schon. Wir sind auf Facebook mit dir befreundet, folgen dir auf Twitter und lesen deine Kolumnen. Hat sich auch was getan, was du nicht im Internet dokumentiert hast?“ Oh. Ja, der Slogan von Facebook lautet „Stay connected“, aber so wie ich das mache, könnte er genau so gut „Hör auf! Du übertreibst es! STOPPE DIESEN WAHNSINN!“ lauten. Während mir also meine Freunde wiederum aus ihrem Leben erzählten, konnte ich mich nicht davon abhalten, geknickt in Gedanken zu versinken.

Wie viele von euch sicherlich wissen, hat Jodie Foster eine ergreifende Rede bei den Golden Globes gehalten. Vielleicht mache ich mich unbeliebt, aber um ehrlich zu sein fand ich Ms. Fosters Ansprache ein bisschen wirr: Die Schauspielerin sprach ein bisschen so über ihre Mutter, als wäre diese längst tot (dabei lebt sie noch), kündigte an, sich aus dem Showbusiness zurückzuziehen (nur um es Backstage wieder zu dementieren) und hat mehrere Male grundlos „I‘M FIFTY!“ geschrien. Ja, ich halte auch manchmal wirre Ansprachen, aber wenn ich es tue, wird das nicht als „inspirierend“ bezeichnet, sondern mir allerhöchstens ein Taxi nach Hause gerufen. Aber Spaß beiseite, denn ein Satz, den Jodie Foster von sich gegeben hat, hat für mich dennoch sehr viel Sinn ergeben: Sie appellierte gegen die Paparazzi-Kultur, gegen Reality-Shows und gegen die generelle mediale Überexposition. Es gibt so viele Menschen, die sich nach Privatsphäre sehnen und dennoch existieren Personen wie ich und unzählige andere, die jedes Detail ihres Lebens auf Facebook, Twitter oder Instagram teilen. All dies passiert unter dem Deckmantel des „Social Networking“, doch spätestens bei dem Abendessen mit meinen Freunden warf sich mir die Frage auf, die mich nicht mehr loslassen sollte: Bleibe ich meinen Freunden durch Facebook und co. tatsächlich verbunden, oder bewege ich mich immer weiter weg von ihnen?

Natürlich bin ich vorsichtig: In meinen Kolumnen verbiege ich Tatsachen, schreibe selten über meine Familie und andere Menschen, die ich wirklich gerne habe und ändere stets alle Namen, wodurch auch der Eindruck entsteht, als hätte ich unheimlich viele Freunde, obwohl „Daniel“, „Anton“ und „Wolfgang“ ein und dieselbe Person sind. Neuen Bekanntschaften und Dates verschweige ich zudem stets, dass ich manchmal im Internet mein Geld verdiene, denn die Erfahrung lehrte mir, dass „Michael Buchinger“ googlen einfach der größte Cockblock aller Zeiten ist. Trotz allem kann ich nicht anders, als mir wie der größte Heuchler aller Zeiten vorzukommen: In der Blüte meiner Jugend habe ich ein Video gemacht, das zeigen sollte, wie oberflächlich und unpersönlich Facebook sein kann, doch zwei Jahre später stellt sich der Sketch als self-fulfilling prophecy heraus und ich bin am besten Weg, zu eine dieser Personen zu werden, die jedes Detail ihres Alltags auf Facebook teilen, während sie vergessen, am realen Leben teilzuhaben. (Fun Fact: Wer genau hinsieht, wird merken, dass mein Hosenstall offen ist. Da habe ich einmal nicht nach unten geschaut und DAS wird dann natürlich mein beliebtestes Video. Story of my life...)

Als ich an jenem Abend mit meinen Freunden im Restaurant saß und Geschichten lauschte, die sie im Gegensatz zu mir nicht mit aller Welt im Internet geteilt hatten, fasste ich kurzerhand den Entschluss, mich aus der Facebook-Falle zu befreien und in Zukunft mehr Wert auf echte soziale Interaktionen, anstatt auf „Gefällt Mir!“-Angaben und Retweets zu legen. Ein guter Vorsatz, wie ich finde! Ich könnte an dieser Stelle einen auf Jodie Foster machen, meiner „toten“ Mutter danken und dann ankündigen, dass ich mich aus dem Internet zurückziehe, nur um des dann wieder zu dementieren, aber das scheint mir ein wenig dramatisch. Stattdessen werde ich einfach versuchen, die Balance zwischen „guter Freund im realen Leben“ und „merkwürdige Person ohne Schamgefühl im Internet“ zu finden und wünsche all meinen Lesern, dass sie ebenfalls nicht im Internet-Sumpf versinken. Wünscht mir Glück! Wenn ihr mich jetzt entschuldigt: es gibt noch eine ganze Tasche voll von alten Spareribs, die darauf wartet, von mir verzehrt zu werden.

PS: I‘M FIFTY!

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