Energie

Das düstere Herbstwetter und ein klein wenig Stress raubten mir sowohl die Energie, als auch den Schlaf. Meine krankhafte Faszination mit einem Studienkollegen half mir dabei, beides zurückzugewinnen. Michaels Tipps gegen den Herbsttrott. 
 
Mark ist ein Typ aus meiner Literaturvorlesung, der über unangenehm große Mengen an Energie verfügt. Fasziniert beobachte ich ihn in den frühesten Morgenvorlesungen, in denen er quietschfidel hinter seinem Tischchen sitzt und eifrig mitschreibt, während ich k.o. in meinem Stuhl lümmele, wie eine Nutte am Morgen nach Valentinstag. Selbst in den Vorlesungen am späten Abend kennt sein Enthusiasmus keine Grenzen. Manchmal sprechen wir über unseren Tagesabläufe und ich bin jedes Mal verblüfft, wenn er mir seinen super-produktiven Alltag in einem Tempo schildert, bei dem sogar die energetischen Gilmore Girls sagen würden „Halt! Stopp! Sprich bitte ein bisschen langsamer!“. Das stört mich nicht weiter und ich vergönne Mark seine Produktivität natürlich, aber da ich selbst über das Energie-Level eines 80jährigen verfüge, kann ich nicht anders, als ein wenig neidisch zu sein. Ständig raten mir die Leute, ich solle „früher schlafen gehen“, doch ich möchte all diesen Leuten persönlich mit einem Knüppel gegen den Kopf schlagen. Das probiere ich doch!
 
Hier zum Vergleich ein typischer Tag in meinem Leben: Mein Wecker läutet um 8 Uhr und ich schalte ihn mürrisch (und mit Obszönitäten um mich werfend) aus, um mich noch kurz ins Bett zu legen. Plötzlich ist es 9 und wie der geölte Blitz kippe ich einen Espresso und laufe ohne Frühstück in die erste Vorlesung. Zwischen den Vorlesungen treffe ich mich zu Mittag meist mit Freunden und den Nachmittag verbringe ich entweder wieder an der Uni, oder mit Hausarbeit, bzw. Dingen, die ich wohl oder übel zu erledigen habe. Irgendwann gegen 19 Uhr gibt es einen Moment, wo ich mir sage „Stop! Michael Time!“ und es mir mit einem Buch oder einem Film gemütlich mache, während ich an einer Pizza nage. DOCH HIER DER CLOU! Wenn ich schließlich gegen 22 Uhr „früh schlafen“ gehe, wälze ich mich lange Zeit frustriert auf meiner Matratze hin und her, während ich mir im Minutentakt mental ausrechne, wie lange ich im Idealfall noch rasten kann. Frustriert, weil es mittlerweile 3 Uhr morgens ist und in weniger als 6 Stunden auf muss, gönne ich mir schließlich ein Glas Rotwein (das Wort „Glas“ wird in diesem Fall relativ lose definiert) und schlafe supergut, wache deswegen aber am nächsten Tag zu spät auf und lasse dem Teufelskreis seinen Lauf.
 
Aus diesem Grund frustriert mich die unendliche Energie meines Mitstudenten immens und ich schrecke nicht davor zurück, an dieser Stelle laut „J‘accuse!“ zu rufen und ihn der Kokain-Abhängigkeit zu beschuldigen. Oder hat er vielleicht doch einen Zwillingsbruder und schickt diesen in die Morgenvorlesungen, während er selbst bis zu Mittag pennt? Sicher koksen sie auch beide! Besessen davon, diesem Mysterium auf den Grund zu gehen, unterbrach ich meinen Kollegen, während er mir gerade erneut im Maschinengewehr-Tempo von seinem hochproduktiven Tag erzählte. „Es tut mir leid, aber wie kannst du nur so viel Energie haben?“. Seine Antwort war ebenso simpel wie nervtötend. „Oh, ich ernähre mich einfach gesund und mache regelmäßig Sport!“. Na toll! Diese Aussage impliziert leider, dass es vermutlich relativ leicht ist, so fit zu werden und dass auch ich dieses Ziel erreichen kann, wenn ich mich nur ein bisschen anstrenge. Ach, wäre es doch nur meine abstruse Theorie mit den Koks-Zwillingen gewesen!
 
Treue Leser meiner Kolumne wissen: Wenn ich sage „Ich möchte mich ein bisschen gesünder ernähren und mehr Sport machen!“ ist das leider ein bisschen so, wie wenn ein ehemaliger Alkoholiker freudig „Ein kleines Schlückchen kann mir nicht schaden!“ deklariert. Anders als bei meinen bisherigen Ernährungs-Umstellungen war es mir bei meinem neuen Projekt völlig egal, wie ich aussah, denn es ging mir nur darum, mich körperlich und geistig wohler und vor allem lebendiger zu fühlen. Für diese Woche auf der Agenda: Immer schön ausgiebig frühstücken, mittags eine gesunde Portion Fisch, Hühnerbrust oder ähnliches essen, nachmittags ein bisschen Sport betreiben (hierbei habe ich mich für eine ultrapeinliche Promi-Fitness-DVD entschieden. Wer in den Kommentaren errät, um welchen Promi es sich handelt, bekommt von mir eine gesunde Portion Fisch geschenkt!) und am frühen Abend einen kleinen Snack zu sich nehmen. Voller Elan startete ich also das Experiment „Gesündere Ernährung, höhere Lebensqualität...(und Mark in unserem Energie-Battle schlagen)“
 
Ich möchte hier nicht altklug oder allzu triumphal klingen, aber dennoch muss ich anmerken, dass ich bereits am zweiten Tag meines Versuches völlig ausgeschlafen um 7:30 (AM MORGEN!) aufgewacht bin. Für manche Leute ist dies vermutlich keine herausragende Uhrzeit, doch hättet ihr mir vor ein paar Monaten gesagt, dass ich irgendwann mal problemlos um 7:30 in der Früh putzmunter aus dem Bett hüpfen würde, hätte ich euch aus Unglauben vermutlich mit Fackeln und Heugabeln über die Staatsgrenze gejagt. Triumphal machte ich mich auf den Weg in die Vorlesung und war an jenem Morgen mindestens genau so fit wie mein aufgeweckter Studienkollege Mark und es hatte mir nicht mal sonderlich viel Anstrengung gekostet.
 
Aus meinem Experiment habe ich zwei Dinge gelernt: Ja, manchmal geht man in die Vorlesung, um mehr über englische Literatur zu erfahren und kommt stattdessen mit Gesundheitsratschlägen nach Hause. Und: Wenn man nachts nicht einschlafen und am Morgen nicht aufwachen kann, ist das eventuell ein Zeichen dafür, dass etwas schief läuft und der Körper einem das sagen möchte. Sicher, sich bis an sein Lebensende nur gesund zu ernähren wird auf Dauer ein wenig langweilig - und leider auch teuer! Kekse aus dem Reformhaus sind zwar furchtbar trocken, haben dafür aber einen „saftigen“ Preis (oh snap!). Gegen Ende der Woche sehnte ich mich daher mehr als je zuvor nach Kuchen, den man in der Mikrowelle zubereiten kann. Um ein bisschen Energie zu tanken, ist es aber besonders in der verschlafenen Herbstzeit ratsam, sich mal wieder ein bisschen Zeit für seinen Körper zu nehmen und bewusst darauf zu achten, welche Dinge man zu sich nimmt. Und wer weiß: Wenn ich noch eine weitere Woche lang solch guten Schlaf genießen darf, bin ich vielleicht bald schon so aufgeweckt wie Honey Boo Boo.

Wer Lust hat, kann mir in den Kommentaren gerne seine Tipps für einen kleinen Energieschub geben, ich bin für jeden Ratschlag äußerst dankbar!

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