Depression

Wie so viele Menschen zu dieser Jahreszeit leidet Michael unter dem Januar-Blues und nicht einmal ein Ausflug in den Sex-Shop hilft dabei, diesen zu überwinden.

Viele Leser dürften mittlerweile wissen, dass ich in der Regel ein relativ gut gelaunter Mensch bin, der allerhöchstens sein sonniges Gemüt verliert, wenn jemand die Worte „Ich finde die Glee-Version war besser!“ murmelt (die Glee-Version wird NIEMALS besser sein!). Umso mehr mag es überraschen, dass ich Anfang Januar immer furchtbar deprimiert bin. Während andere Leute wohl mit aufgefrischter Lebensenergie an einem gesunden Salat knabbern, grenzt mein momentanes Verhalten in Sachen Sonderbarkeit ein bisschen an die alte Frau aus der U-Bahn, die grundlos Sätze wie „Das ist MEIN Blumenkohl!“ schrie. Die gesamte letzte Woche habe ich zum Beispiel damit verbracht, auf meiner Ausziehcouch zu lümmeln und Trash-TV zu schauen. Ich hatte kaum sozialen Kontakt zu anderen Menschen, bei dem das Gespräch nicht mit „Vielleicht noch eine Apfeltasche dazu?“ endete. Am Dienstag habe ich gar nicht das Haus verlassen, weil ich mir einbildete, mein rechtes Auge sei an dem Tag disproportional klein gewesen. Das Schlimmste: Diese generelle Unlust, an meinem regulären Leben teilzuhaben wiederholt sich Jahr für Jahr zu annähernd der gleichen Jahreszeit. Dies stellt mich vor ein großes Rätsel: Was hat es mit dem Januar-Fluch auf sich und wie kann ich ihn brechen?

Wie immer, wenn mein eigenes Wissen nicht ganz ausreicht (was oft der Fall ist, weil ich nämlich bis vor Kurzem noch glaubte, James Cameron - der Regisseur von „Titanic“ - sei auch Premierminister des Vereinigten Königreichs), zog ich Google zu Rate. Und siehe da: Down-Phasen im Januar sind scheinbar ziemlich weit verbreitet; Wissenschafter haben sogar herausgefunden, dass der 24. Januar der deprimierendste Tag des Jahres ist. Irgendwie verstehe ich es ja, immerhin ist der gesamte Januar ein bisschen so wie der Tag nach einer großen Party (in diesem Fall Dezember), an dem wir nur mit dem Kopf in der Kloschüssel hängen. Forschungen zeigen, dass die Kälte und das Defizit an Sonnenlicht viele Menschen dazu bewegt, sich bis zu 15 Stunden am Tag zuhause zu verschanzen und dass zwei Drittel aller Paare sich zu dieser Jahreszeit trennen (was mich ein bisschen freut, weil mein Körper Endorphine ausschüttet, wenn glückliche Paare sich trennen). Natürlich finde ich es irgendwie befreiend, dass andere Leute ebenfalls unter dem Neujahrs-Trott leiden, allerdings ändert das nichts an meiner Misere, sondern trägt vielmehr dazu bei: Was müssen wir tun, um diese schlechte Stimmung zu überwinden?

Diverse Webseiten und Ratgeber schlugen vor, dass gesunde Ernährung und viel Bewegung der Schlüssel zu körperlicher und geistiger Revitalisierung wären. Diese sicherlich gut gemeinten Ratschläge haben aber allerhöchsten dazu geführt, dass ich meinem Laptop laut die Worte „DU BIST NICHT MEINE MUTTER!“ entgegenschrie und beschloss, stattdessen auf eine altbekannte Methode meine Stimmung zu heben. Okay, nennt mich merkwürdig, aber als ich noch ein bisschen jünger war und am Land wohnte, hat mich in eigenartigen und leicht deprimierten Zeiten kaum etwas in eine bessere Laune versetzt, als einen Ausflug in den Sex-Shop zu unternehmen. Ich kann dieses Phänomen am ehesten damit erklären, dass ein Sex-Shop am Land (aus welchem Grund auch immer) der traurigste Ort aller Zeiten ist - ich war meistens der einzige Besucher, der ein vollständiges Gebiss hatte. Natürlich ist es ein billiger Trick (und erinnert ein bisschen an die Tournee, bei der Britney Spears ausschließlich pummelige Tänzerinnen hatte, um im Vergleich dünner zu wirken), aber in traurigen Phasen an einen noch traurigeren Ort zu gehen, half mir irgendwie: Es war meist inmitten von Dildos und Peitschen, dass ich zu dem Entschluss kam, dass mein Leben vielleicht doch gar nicht so schlecht war.

Lasst mich euch sagen, dass es keine gute Idee ist, bei schlechter Laune in einen Wiener Sex-Shop zu gehen. Ich weiß nicht, warum, aber in der großen Stadt grenzt ein solches Etablissement geradezu an Disneyland. Schon als ich eintrat, kam mir die fröhliche Musik von Mika entgegen und dann musste ich feststellen, dass alle übrigen Besucher nicht nur relativ gepflegt und attraktiv waren, sondern auch noch all ihre Zähne, sowie (im Gegensatz zu mir) gleich große Augen hatten. Selbst jene Leute, die in der SM-Abteilung lungerten, schienen annähernd normal und fröhlich - man könnte sogar behaupten, ich wäre die merkwürdigste Person im Peitschen-Paradies gewesen (das ist mal was für den Lebenslauf!). Geknickt beschloss ich, Interesse an Lustkugeln vorzutäuschen, bis die richtigen Weirdos alle aus ihrem Versteck kamen, wie Clowns aus einem kleinen Auto. Doch das lange Warten blieb erfolglos und spätestens, als ich eine Frau erblickte, die Pornotitel durchsah, während sie einen Kinderwagen vor sich herschob, schleuderte ich die Lustkugeln zurück ins Regal und gab mich geschlagen. Dieser Sex-Shop war eindeutig zu normal und ich war eindeutig zu eigenartig.

Bedrückt zog ich mich wieder auf mein Sofa zurück und beschloss, mit meinem Trash-TV-Marathon weiterzumachen. Diesmal am Start: „Liz & Dick“; der tragische Made-For-TV-Film in dem Lindsay Lohan Elizabeth Taylor verkörpert. Zu behaupten, dass dieser Streifen wie ein Autounfall sei, von dem man einfach nicht wegsehen könne, wäre eine Untertreibung. Nein, ich finde, dass der Vergleich in diesem Fall sogar neu definiert werden muss: Das nächste Mal, wenn ich einen Autounfall sehe, werde ich stehenbleiben, aussteigen und sagen „Das ist ja wie ,Liz & Dick‘!“. Auch wenn es vielleicht fies klingt, aber: Lindsay Lohan dabei zuzusehen, wie sie Gläser gegen die Wand schmeißt und in Ohnmacht fällt, während sie versucht, all ihre Kinne hinter einem Rollkragenpulli zu verstecken, brachte mich zum ersten Mal in dieser Woche richtig zum Lachen. Und ich schöpfte Hoffnung: Ich wusste zwar noch nicht ganz wie, aber wenn Elizabeth Taylor das Jahr 1964 und Lindsay Lohan das Jahr 2012 überstehen konnte, dann würde ich das sicherlich auch mit dem Januar schaffen.

Eure Hilfe ist gefragt! Was tut ihr, um über schlechte Laune zu siegen?

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