Berlin

Undercut und Jutebeutel, ich trinke Club Mate oder gibt's den Caffè Latte auch mit Sojamilch?“ Michael wagt einen Spontan-Trip in die Hipster-Hauptstadt Berlin und kehrt krank und verletzt wieder in die Heimat zurück.

Als ich am vergangenen Freitag mit meinem prallen Koffer und pochendem Schädel meine Wohnung betrat, fühlte ich mich tatsächlich dem Weltuntergang nahe. Hastig griff ich nach einer Schmerztablette, schwappte sie mit einem Glas Leitungswasser herunter, und zog kurz in Betracht, das Glas wütend gegen die Wand zu werfen und „Ich kann nicht mehr!“ zu rufen, um meiner Situation ein bisschen dramatisches Flair zu verleihen. Stattdessen verschonte ich meine Glaswaren, griff lieber zum Telefon und rief meine Verabredung für den Abend an, mit der ich eigentlich zu einer Weltuntergangs-Party gehen wollte. „Bernhard? Hallo, ich bin es, Michael. Ich komme gerade aus Berlin...“ krächzte ich mit einer Lindsay-Lohan-artigen Stimme in den Apparat und betrachtete dabei die Brandwunde an meiner Hand. Bernhard fiel mir ins Wort. „...und du bist von der durchgehenden Party dort erschöpft und möchtest mir für heute Abend absagen?“ - „Ja genau, ich hoffe du bist mir nicht böse...“ - „Nein nein, kein Problem, ich verstehe das. Ruh dich ruhig aus!“, vergewisserte mir mein Freund verständnisvoll und legte auf. Das war ja einfacher als gedacht.

Was viele Außenstehende nicht wissen, ist, dass in der Wiener Partykultur Berlin die absolute Spitzenausrede für alles geworden ist. Für „coole“ Leute (sprich: alle außer mich) ist es zum Brauch geworden, die österreichische Hauptstadt alle paar Monate hinter sich zu lassen und nach Berlin zu pilgern, um in der Stadt der Alternativ-Kultur all das zu tun, wofür Wien zu konservativ ist, nur um dann völlig ausgepowert von der durchgehenden Party und mit Verletzungen am ganzen Körper wieder nach Österreich zurückzukehren. „Ich kann leider nicht kommen, ich bin gerade/komme gerade aus/fliege morgen nach Berlin“ ist, in anderen Worten, das neue „Ich habe Durchfall“ - ein geflügelter Satz, den ich schon unzählige Male als Absage auf Einladungen zu meinen ausgelassenen „Mamma Mia!“-Sing-Along-Abenden erhalten habe. Als mir meine Schwester also den Vorschlag machte, mit ihr und zwei unserer Freundinnen die deutsche Hauptstadt unsicher zu machen, musste ich nicht lange überlegen, sagte freudig zu und kommentierte bei jeder bevorstehenden Facebook-Veranstaltung, dass ich leider nicht kommen könne, da ich mich in Berlin befinden würde. Vielleicht würde ich im Zuge meiner Reise ja gleich erfahren, was viele Wiener so toll an der Hipster-Metropole fanden.

Mein erster Eindruck von Berlin war, dass die Stadt - obwohl sie wie eine einzige riesige Baustelle wirkt - eigentlich überraschend ruhig ist. Einer der Hauptgründe, warum ich mich so bereitwillig für diesen Kurztrip entschieden habe, ist der, dass mir Wien - so gern ich es sonst auch habe - in der Vorweihnachtszeit mächtig auf den Geist geht. Dort ist es dieser Tage nahezu unmöglich, 200 Meter zügig durchzugehen, ohne dass nervige Straßenverkäufer mit Mozartkugeln nach einem werfen oder Touristen, die scheinbar nach dem Motto „Ich halte es für eine gute Idee, in der Rush Hour einfach mal mit meiner gesamten Reisegruppe mitten am Bürgersteig stehen zu bleiben!“ den Gehweg blockieren. In Berlin dagegen sind die Leute überraschend zackig und die U-Bahnen im Vergleich zu Wien furchtbar schnell; deshalb ist es uns schon am ersten Tag gelungen, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu bewundern, um dann den restlichen Urlaub mit den essentiellen Dingen des Lebens (Essen und Einkaufen) zu verbringen. Obwohl die Stadt ein wenig unübersichtlich auf mich wirkte und ich beim schieren Anblick des verwirrenden U-Bahn-Plans manchmal langsam bis 10 zählen musste, um die Fassung zu bewahren, war ich dennoch begeistert.

Doch schließlich nahm das Unheil seinen Lauf: Da ich eines Morgens ein bisschen in Eile war, verließ ich kurzerhand das Haus mit nassem Haar und hatte leider die Rechnung ohne die Berliner Kälte gemacht. Nun leicht erkältet versuchte ich, meine Krankheit mit massig Tee und Kaffee auszukurieren. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass es mir nahezu unmöglich erschien, in Berlin eine anständige Tasse Kaffee zu erhalten. Ja, man möchte sogar meinen, ich hätte in den meisten Fällen explizit nach „Braunem Wasser mit verbranntem Popcorn-Geschmack“ verlangt, aber das war nicht der Fall. Gerade, als ich eben einen heißen Pappbecher voller Popcorn-Wasser entgegennahm, verschüttete ich diesen über meine Hand und zog mir eine tolle Brandwunde zu. Zum Glück gelang es mir, meine Gesundheit für den restlichen Berlin-Aufenthalt halbwegs aufrecht zu erhalten, sodass ich noch Klassiker wie das weihnachtliche KaDeWe oder das entzückende Café Barcomi‘s Deli (endlich! Guter Kaffee!) abklappern zu können, doch spätestens am Rückflug nach Wien brach ein kesses Fieber bei mir aus.

Als ich an jenem Abend (welcher ironischerweise auch der Abend des Weltuntergangs hätte sein sollen) also mit pochendem Schädel in meinem Bett lag und zitternd einen Kamillentee zu mir nahm, war ich wohl der einzige, der wusste, dass ich mich nicht in diesem Zustand befand, weil ich in Berlin so hart Party gemacht hatte. Ich habe mir weder auf einem Hipster-Konzert die Stimme heiser geschrieen, noch habe ich mich auf einer supergeheimen Rave-Party unter einer verlassenen Brücke wiedergefunden. Keiner meiner Freunde weiß, dass ich aus purer Erschöpfung jeden Abend schon um 20 Uhr im Bett war und mich bloß in meinem momentanen Zustand befand, weil ich der Überzeugung bin, dass Haare-Föhnen überbewertet ist. Und obwohl ich jetzt ein bisschen einer wandelnden Leiche ähnle (wer erinnert sich an den Film „Immer Ärger mit Bernie“ aus den 80ern? Das bin ich!), hatte ich eine wunderbare Zeit in der deutschen Hauptstadt und habe ihr sicherlich nicht meinen letzten Besuch abgestattet.
Ich wünsche euch frohe Feiertage, liebe Leser! Möget ihr sie gesund gesund überstehen. Und falls ihr weitere Berlin-Tipps für mich habt, so zögert bitte nicht, mir diese in den Kommentaren zu hinterlassen!

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